Abschlusserklärung
Abschlusserklärung der ItalienischdozentInnen zum Workshop vom 24.-26. Februar 2011 am Sprachenzentrum der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder)
März 2011
Die Gruppe von ItalienischdozentInnen aus dreizehn Hochschulen aus dem deutschsprachigen Raum, die in Frankfurt an der Oder vom 24. bis zum 26. Februar 2011 zusammengekommen ist, ist von der Feststellung ausgegangen, dass die Anpassung der deutschen Hochschulen an die Kriterien des „Bologna Prozesses” zu tiefen Veränderungen auch im Italienischunterricht geführt hat. Die TeilnehmerInnen der Gruppe haben die Lage folgendermaßen beschrieben.
1- Das neue Hochschulsystem zwingt den Studierenden zu einem sehr schnellen Tempo bei der Umsetzung des Curriculums. Dies erschwert es den Studierenden erheblich, eine neue Sprache zu erlernen. Hingegen sind diejenigen Studierenden im Vorteil, die das Hochschulstudium bereits mit Vorkenntnissen in einer oder mehreren Fremdsprachen beginnen. Da das Angebot an Italienischkursen in den Schulen, trotz Unterschieden zwischen den Bundesländern, durchschnittlich gering ist, verliert das Studium des Fachs Italienisch an den Hochschulen an Attraktivität.
2- Wir stellen eine Abnahme derjenigen fest, die im Rahmen eines BA-Studienganges sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz Italianistik absolvieren. Desweiteren stellt das Niveau B1 des GER an vielen Hochschulen als Eingangsvoraussetzung eine nicht unerhebliche Hürde dar.
3- Die Einführung des bachelors hat im allgemeinen die Teilnahme der Studierenden an dem Austauschprogramm „Erasmus“ gebremst: Dies erklärt sich hauptsächlich durch die Angst der Studierenden, „Zeit zu verlieren“, auch weil Schwierigkeiten bei der Anerkennung und Akkreditierung der im Ausland abgelegten Prüfungen an vielen Hochschulen bestehen.
4- Wir haben einen Besorgnis erregenden Mangel an Angaben über die Anzahl der Studierenden festgestellt, die Italienisch als Zusatzqualifikation wählen. Auf der Basis der verstreut vorhandenen Daten sind Schwankungen beim Verlauf der Zahlen der TeilnehmerInnen und starke Unterschiede zwischen den Bundesländern und den einzelnen Hochschulen auffallend.
Eigentlich sind sowohl die italienische Sprache als auch die italienische Kultur noch in der Lage, Interesse zu erwecken, wie es die guten Ergebnisse der Italienischkurse an den VHS, die Zahl der Gymnasien, die in Bayern Italienisch als dritte Sprache anbieten, sowie die Europa-Schulen beweisen. An den wenigen Universitäten, an denen es möglich ist, trotz sechssemestrigen Studiums Italienisch ohne Vorkenntnisse zu studieren, wird ein guter Besuch der Italienischstudiengänge festgestellt.
Da Italien für Deutschland ein strategisch wichtiger Handelspartner bleibt, ist Italienisch nicht nur kulturell, sondern auch wirtschaftlich von Bedeutung. Dabei ist deutlich zu betonen, dass eine aktive und ständige Unterstützung der deutschen, aber um so mehr der italienischen Einrichtungen unabdingbar ist, sowohl auf der lokalen und regionalen als auch auf der Bundesebene, um unserer Sprache eine positive Zukunft zu sichern.
Ausgehend von den oben eingeführten Bemerkungen halten wir von grundlegender Bedeutung, Folgendes in Angriff zu nehmen.
1- Mit aller Kraft wünschen wir, dass das Italienische in einer mehrsprachigen Umgebung ausgewertet wird. Bezugnehmend auf die Stellungnahmen der Europäischen Kommission betonen wir den positiven Wert des Vorhandenseins und der Verbreitung vieler Sprachen in Europa und besonders an den Hochschulen.
2- Wir betonen, dass die Hochschulen Anstrengungen unternehmen müssen, um zu gewährleisten, dass Kurse ab dem Niveau A1 angeboten werden können.
l Dieses Element ist von grundlegender Bedeutung, da wir uns nicht darauf verlassen können, dass eine beachtliche Zahl von Studierenden schon in der Schule angefangen hat, Italienisch zu lernen.
l Das Interesse für das Italienische wird unter anderem dadurch bezeugt, dass die Studierenden, die Grundkurse besuchen, überall dort zahlreich sind, wo diese Kurse angeboten werden. Es geht daher darum, dieses anfängliche Interesse zu entwickeln, und nicht den Zugang zu den Grundkursen zu erschweren.
Diesbezüglich ist es wichtig zu betonen, dass:
l Wer an der Universität Italienisch als Studienfach belegt, nur sechs Semester Zeit hat, um das Niveau C1 zu erreichen. Es ist daher zwingend notwendig, Propädeutika und Intensivkurse, im Semester aber um so mehr in den Semesterferien, anzubieten.
l Auch wer Italienisch als Zusatzqualifikation erwirbt, ein Niveau erreichen muss, auf dem die Sprache sowohl im Studium als auch im Beruf nützlich ist: Dieses Engagement muss durch die Vergabe von credit points ab dem Niveau A1 anerkannt werden.
3 – Wir wollen mit folgenden Zielen die Beziehungen unter uns DozentInnen weiter ausbauen und verstärken:
l Wir wollen über unsere Arbeit reflektieren und die Spezifität des Sprachunterrichts an den Hochschulen verstärken,
l Wir wollen uns gegenseitig unterstützen, zum Beispiel beim Aufbau der Eingangs- und Abschlusstests; dies ermöglicht, nicht nur für eine höhere Anzahl von Studierenden die Gültigkeit der Tests zu prüfen, sondern auch nach einer Vereinheitlichung der Lernziele für jedes Kursniveau zu streben.
l Wir wollen zum Beispiel die Organisation von Vorträgen und anderen kulturellen Ereignissen an unterschiedlichen Hochschulen miteinander besser koordinieren.
Dies bezüglich erinnern wir daran, dass
l eine Gruppe DozentInnen aus verschiedenen Hochschulen gemeinsam C-tests (als Einstufungstests) vorbereitet; die Gruppe steht weiteren InteressentInnen offen;
l weitere Austauschtreffen notwendig sind. Das nächste wird die Tagung über die Didaktik sein, welche die ADI (Associazione dei Docenti d'Italiano in Germania) am 8. Oktober 2011 in München veranstaltet.
4- An den Hochschulen, an denen wir arbeiten, wollen wir dafür sorgen, strukturelle Veränderungen zu bewirken, in erster Linie bei den Prüfungs- und Studienordnungen. Weitere Veränderungen, die wir anstreben, wurden oben erwähnt: Einführung des Italienischen ab dem Niveau A1, Durchführung der Propädeutika, Auswertung des Italienischen in einem mehrsprachigen Rahmen, Möglichkeit der Kombination des Italienischen als Studienfach mit einer größeren Anzahl von Fächern.
5- Diese Abschlusserklärung wird den italienischen Botschaften in Berlin und Bern und den italienischen Kulturinstituten in Deutschland und in der Schweiz mit folgenden Forderungen geschickt:
a) eine Untersuchung über die Entwicklung der Teilnehmerzahlen an den Italienischkursen über eine Periode von zehn Jahren zu finanzieren, weil nur eine fundierte Kenntnis der Tatsachen ermöglicht, ihre Entwicklung zu steuern,
b) die Unterstützung bei der Organisation zweijährlicher Treffen der ItalienischdozentInnen an den Hochschulen, in Zusammenarbeit mit den Selbstorganisationen der DozentInnen und die finanzielle Förderung der Lehrbeauftragten, welche die Mehrheit der DozentInnen darstellen,
c) Hilfeleistungen durch die italienischen Kulturinstitute bei der Koordination der Arbeit der Hochschulen innerhalb einer Region.
Erste UnterzeichnerInnen:
Alice Altissimo (Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder),
Angelo Rella (Uniwersytet Szczeciński, PL),
Anna Castelli (Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder),
Carla Tabaglio (Brescia, ex-lettrice ministeriale),
Carmen Covella (Hochschule für Technik und Wirtschaft, Berlin),
Diana Calore (Rheinisch-Westfaelische Technische Hochschule, Aachen),
Elena Carrara (Humboldt Universität, Berlin),
Elisabetta Fontana (Freie Universität, Berlin),
Enrico Lagazio (Leuphana Universität, Lüneburg),
Gherardo Ugolini (Verona, ex-lettore ministeriale),
Giovanni Ciani (Julius-Maximilian Universität, Würzburg),
Laura Lazzari (Université de Fribourg, CH),
Linda Guzzetti (Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder),
Luisa Pla (Universität Potsdam),
Marco Depietri (Otto-Friedrich-Universität, Bamberg),
Maria Giovanna Tassinari (Freie Universität, Berlin),
Massimo Minelli (Friedrich-Schiller-Universität, Jena),
Sara Roveri (Philipps-Universität, Marburg).